Die 2.000 Schäfchen der Luise Strobl

Im kleinen Örtchen Unter-Pertholz, nahe der tschechischen Grenze, stößt man auf etwas, das man wohl eher in Schottland erwarten würde. Familie Strobl – Johann und Luise gemeinsam mit Sohn Markus und Gattin Barbara – leben hier ihren Traum: Zusammen betreiben sie eine der größten Schafzuchten Österreichs. Eine Geschichte über französische inspiration, Mut, ehrgeiz und die Liebe zur Natur.

Schon beim Passieren der Ortstafel merkt man, dass die Bewohner des kleinen Dörfchens Unter-Pertholz besonders stolz auf eine ihrer Nachbarsfamilien sind. Denn trotzdem es sich hier um einen wirklich beschaulich kleinen Ort handelt, sticht eine Straßenbezeichnung hervor: Die Luise Strobl Straße.

Luise Strobl zog bereits Ende der 70er-Jahre nach Unter-Pertholz und brachte nicht nur in den Ort, sondern vor allem auch in den Hof ihres frisch angetrauten Gatten Johann, viel frischen Wind. In den ersten Jahren führten Luise und Johann den Hof noch im klassischen Stil mit Milchkühen, einer kleinen Schweinezucht und der Bewirtschaftung des dazugehörigen Landes. Schon damals aber gehörten drei Schafe mit zum Hof – die später Ausgangspunkt für den wirtschaftlichen Erfolg der Strobls werden sollten. Waren diese drei Schafe erst nur dazu da, um unproduktive Flächen „zu mähen“, so entdeckten Luise und Johann immer mehr Gefallen an den Tieren: „Mit Schafen ist es schön zu arbeiten. Dass man sie gut behandelt, kommt zurück“. Und so beschlossen die beiden zusätzlich auch in der Lammproduktion Fuß zu fassen.

Zunächst fanden 70 Mutterschafe Platz auf dem Hof. Doch innerhalb kürzester Zeit überschlugen sich dann die Ereignisse, die den Weg zur reinen Schafzucht ebnen sollten. Als der Bauernhof 1994 auf einen biologischen Betrieb umgestellt wurde, konnten die Schweine nicht länger gehalten werden und auch der Erhalt der Rinder stellte sich als schwierig heraus. Als kurz darauf auch noch eine Anfrage nach Schafmilch eines Käseproduzenten ins Haus flatterte, war für Luise und Johann klar, was die Zukunft bringen sollte. Ein Windbruch bescherte zu guter Letzt auch noch solche Unmengen an Holz, aus denen eigentlich nur ein neuer Stall gebaut werden konnte. Der sollte bald Heim für 380 Zuchtschafe sein.

 

schafe5

 

Inspiration aus Frankreich

Einen ganz gewöhnlichen Stall zu bauen, kam für Luise nicht in Frage. Als Vorbild wurde ein besonderer Betrieb im französischen Roquefort herangezogen, der sich schon seit vielen Jahren auf Schafzucht konzentriert hatte. Gemeinsam reisten Luise und Johann in die 1.600 Kilometer entfernte Gegend und besuchten dort ihren Traumhof. Die Region ist lange schon bekannt für ihre zahlreichen Schafbauern. Vor allem aber war sie der Beweis für Luise, dass es möglich ist, ausschließlich von der Schafzucht zu leben. Nicht nur der neue Stall sollte jenem aus Roquefort gleichen, auch die dort gezüchteten Schafe „Lacaune“ gefielen den Strobls auf Anhieb. So nahmen Luise und Johann neben einem Koffer voller Inspiration auch einen Kaufvertrag für „Lacaune-Schafe“ mit nach Hause. Luise war von den Tieren von Beginn an überzeugt: „Es ist eine ganz besondere Rasse, die zwar nur wenig Wolle hat, aber besonders gut zu melken und vor allem sehr herdentauglich ist. Große Betriebe arbeiten nur mit diesen Schafen“.

Vielseitiger Erfolgskurs

Mit neuen Stallungen und einer großen Herde französischrassiger Milchschafe wagte Familie Strobl als einer der ersten Waldviertler Betriebe den Schritt weg vom klassischen Kuhmilchbetrieb hin zur Schafmilchwirtschaft. Damit ging ein großer Traum der Strobls in Erfüllung, auch wenn dieser mit allerhand Risiken verbunden war. Denn in den 90er-Jahren waren Schafmilchprodukte noch kaum in den Regalen von Supermärkten zu finden. In einer großen Waldviertler Käseproduktion, die nicht weit entfernt ihren Betrieb gegründet hatte, fanden Luise und Johann einen optimalen Abnehmer für die rund 100.000 Liter Schafmilch, die durchschnittlich pro Jahr produziert werden. Heute beliefern die Strobls ein oberösterreichisches Unternehmen, das aus der Waldviertler Schafmilch Bio-Joghurt und Bio-Eiscreme herstellt.

Doch die Milchproduktion alleine ist für Luise längst nicht genug: „Alles ist verwertbar, bei uns bleibt nichts übrig“. Ganz getreu dieser Aussage wird neben dem Haupterwerb, der Milchproduktion, auch das Nebenprodukt Wolle verkauft. Die rund 700 Kilo Wolle, die jährlich anfallen, werden in Bad Leonfelden zu spezieller Dämmwolle weiterverarbeitet. Auch das Haus von Sohn Markus wurde mit der eigenen Schafwolle gedämmt. Und wenn dafür immerhin ganze fünf Jahre lang Wolle „gespart“ werden musste, rentiert sich dies nun voll und ganz, da die Heizkosten dadurch um die Hälfte „eingedämmt“ werden konnten.

 

schafe4

 

Ein weiteres Standbein ist die Lammfleischproduktion – und auch diese ist ein voller Erfolg: Für den geräucherten Rohschinken, den Luise nach ihrem eigenen Rezept und mit eigens angebauten Kräutern herstellen lässt, gab es schon zahlreiche Auszeichnungen. Zu ihren größten Erfolgen zählen der mehrfache Gewinn des „Speckkaisers“, sowie die Auszeichnung auf der DLG in Deutschland, bei der ihr Schinken von über 6.500 Einreichungen auf den ersten Platz gewählt wurde. „Die Würze passt perfekt und er ist sehr zart“, ist Luise sichtlich stolz auf ihr Produkt. Neben dem geräucherten Rohschinken gibt es noch weitere Lammfleischprodukte wie Würste, Knoblauchwurst und Wurz‘n. Dass ihre Produkte auch an das Hotel Imperial geliefert werden, freut Luise besonders.

Aber das ist noch nicht genug für die Schafbäuerin: Luise bezeichnet die streng betriebene Schafzucht als eines ihrer großen Hobbies, das sich neben der Milchproduktion zugleich als ertragreichste Einnahmequelle herausstellte. Und auch dabei scheint ihr der Erfolg Recht zu geben, denn jährlich verkaufen die Strobls zahlreiche Schafe in viele Länder Europas und haben damit die Nase in Sachen Schafzucht ganz vorn. Voll Freude vermerkt Luise auf einer großen Landkarte jedes Mal, wohin die Lämmer exportiert werden. Am meisten freuen sich die beiden über Nachfragen aus Ländern, die sie bis jetzt noch nicht beliefert haben. Und gehen Luise und Johann einmal pro Jahr auf Urlaub, kommt es häufig vor, dass sie dabei eine Schafzucht, an die sie einst Lämmer verkauften, besuchen. Denn der Austausch mit anderen Züchtern wird bei den Strobls sowieso groß geschrieben – von Konkurrenz ist hier nie die Rede. „Es ist schön sich mit Gleichgesinnten zu unterhalten, so viele sind wir schließlich nicht“, erklären Strobls.

Unter den Schafzüchtern gibt es sogar ein richtiges, europaweites Netzwerk: So wird einmal jährlich die Milchschaftagung organisiert, deren Leitung auch Luise schon innehatte. Unter Europas Schafzüchtern ist eine richtige Freundschaft entstanden, gerne steht man sich da mit Rat und Expertise zur Seite. Luise und Johann sind dabei besonders gefragt: „Bis zu 2.000 Personen besuchen unsere Zucht jährlich“. Die meisten von ihnen sind auf der Suche nach Inspiration und Erfahrungswerten – so, wie einst die Strobls in Roquefort.

 

schafe3

 

Luises 2.000 Schäfchen

Heute leben rund 380 Schafe, davon 300 trächtige Mutterschafe und 80 Böcke, auf dem Hof in Unter-Pertholz. Und die 500 Lämmchen, die alle etwa zur selben Zeit das Licht der Welt erblicken, werden schon freudig erwartet. In Summe, erzählt Luise, waren schon mehr als 2.000 Schafe auf dem großen Hof.

Einen persönlichen Bezug entwickelt man aber trotz der hohen Zahl zu einigen Tieren, dabei gibt es auch immer wieder besondere Lieblinge. Namen bekommen die Tiere allerdings nicht, sie alle werden liebevoll „Lampi“ genannt. Die Zeit, die sie am Hof verbringen, soll für sie eine schöne sein, darum ist die ganze Familie bemüht. Vor allem Johann, der gemeinsam mit Sohn Markus für die Fütterung zuständig ist, vertraut auf den Satz: „Geht es den Schafen gut, geht es uns gut“. Dass in den Stallungen ein liebevoller und vertrauter Umgang zwischen Mensch und Tier herrscht, ist nicht zu übersehen. Auch Hütehündin Feh ist perfekt in die Abläufe integriert, selbst wenn ihr derzeit vier freche Welpen die Arbeit schwer machen. Das Waldviertel als Region scheint jedenfalls prädestiniert für die Schafzucht, denn neben den geeigneten Flächen für den notwendigen Auslauf ist auch das Klima hier optimal.

Ehrgeiz, Mut & Tatendrang

Wirft man einen Blick auf Luises Lebenslauf, so erstaunt dieser mit zahlreichen ehrenamtlichen Funktionen: Jahrelang war sie Bezirksbäuerin, Mitglied des Bezirksschulrats, Obfrau des Raabser Bezirksblütenvereins und Schriftführerin der heimischen Fernwärmegemeinschaft – um nur einige zu nennen. Besonders wichtig war ihr schon immer der Einsatz für andere Bauersfrauen und sie sieht sich ein bisserl als „Stimme der Bäuerinnen“, als jemand, der immer ein offenes Ohr für andere hat und dann das Wort ergreift, wenn andere schweigen. Doch neben all den organisatorischen und kommunikativen Talenten, die Luise hat, gab es für sie immer nur einen Traumberuf: „Ich war schon als Kind eine überzeugte Landwirtin. Ich gehe in diesem Beruf auf und würde es immer wieder machen.“ Sie ist sich sicher, aus allem das Beste herauszuholen, ein „geht nicht“ gibt es in den Augen der Landwirtin nicht. Dass man mit viel Ehrgeiz, Tatendrang und Mut zur Veränderung Großartiges schaffen kann, beweist die Waldviertlerin Luise Strobl mit ihren 2.000 Schäfchen jedenfalls eindrucksvoll.

Reportage aus der Wald4tlerin Frühlingsausgabe 2015 | Text: Rhea Temper | Fotos: Stefanie Pollmann
Hinterlasse eine Antwort

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.