50 Tage Tansania

Jahr für Jahr brechen weltweit unzählige Freiwillige in arme Regionen auf, um dort zu helfen.

In der Hoffnung, etwas zu bewirken und ein völlig anderes Leben kennenzulernen, reiste auch die 27-jährige Waldviertlerin Madeleine Böhm in eines der ärmsten Länder der Welt.

ERZÄHLT VON RHEA TEMPER

 

Mit 19 Jahren verlässt Madeleine das erste Mal alleine den Kontinent. Auf den einjährigen USA-Aufenthalt folgen Reisen nach Asien und Europa. „Der Aufbruch in ein neues Land bedeutet für mich immer ein Abenteuer. Doch diesmal war es anders — ich ging mit einem gewissen Druck, auch tatsächlich helfen zu können.“

Madeleine beschließt kurzfristig zwischen ihrem Universitätsabschluss in Wien und dem Master-Lehrgang in London für sieben Wochen nach Tansania zu gehen. Von dem Projekt „Africa Amini Alama“ erfährt sie auf einer Party von einer befreundeten Ärztin, wenig später nimmt sie Kontakt mit der Organisation auf, und binnen kürzester Zeit kommt auch schon die Rückmeldung: Die Hilfsorganisation sucht dringend Unterstützung in der Buchhaltung.

Für gewöhnlich sind Volunteer-Aufenthalte erst ab drei Monaten möglich, denn es dauert einige Zeit, bis sich die freiwilligen Helfer an die neue Umgebung gewöhnen, vor allem aber ist es für die betroffenen Menschen, vor allem Kinder, wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung zu den Bezugspersonen aufbauen zu können.

Da Madeleines Hilfe aber dringend gebraucht wird, ist es ihr möglich, für nur sieben Wochen nach Tansania zu reisen. Nach der Zusage von „Africa Amini Alama“ muss alles schnell gehen: Madeleine bucht Flüge, vereinbart Impftermine und erledigt letzte Besorgungen — alles so routiniert, dass sie kaum realisiert, wie groß die Reise eigentlich ist, die sie gerade dabei ist, anzutreten. „Dass mein bisher größtes Abenteuer beginnt, habe ich erst richtig kapiert, als ich auf fremdem Boden stand. Der Weg vom Flughafen nach Momella dauerte rund zwei Stunden. Auf dieser Fahrt sammelte ich erste Eindrücke und konnte mich innerlich auf die nächsten 50 Tage vorbereiten.“

Foto: Dominik Münstermann

Es dauert nicht lange, bis Madeleine völlig in die Kultur Tansanias eintaucht. Die Herzlichkeit der Menschen und die für uns ungewohnte Genügsamkeit beeindrucken. Auch die außergewöhnliche Landschaft und Tierwelt verzaubern Madeleine auf Anhieb.

„Ich habe hier Respekt vor der Natur gewonnen!”

 

Gemeinsam mit sechs weiteren Volunteers wohnt sie in einem kleinen Haus und gewöhnt sich rasch an die einfachen Gegebenheiten. „Wir hatten fließendes, kaltes Wasser zum Duschen – ein Luxus. Das merkten wir besonders dann, wenn die Regierung das Wasser immer wieder für einige Tage abstellte. Dann haben wir das Wasser aus den Regenrinnen aufgefangen und uns mit einer Katzenwäsche begnügt.

Zu Essen gab es meist gekochte Bananen, Maisbrei, Reis und Obst, der Strom wurde aus Solarzellen gewonnen.“ Untertags gehen die Freiwilligen ihren unterschiedlichen Aufgaben nach: Madeleine unterstützt bei der Budgetplanung und Quartalsabrechnung, während ihre Mitbewohner im Waisenhaus, der Krankenstation oder den Schulen helfen.

Die Hilfsoganisation Afrika Amini Alama vermittelt Patenschaften und Volontariate nach Tansania.

Seit der Gründung der Initiative „Africa Amini Alama“ durch die Österreicherin DDr. Christine Wallner werden jährlich rund 40.000 Menschen von dem einheimischen Team und Helfern medizinisch versorgt. Neben der Krankenstation gibt es weitere Projekte im Bildungs- und Sozialbereich, wie das Waisenhaus, Schulen und ein Handwerkscenter.

„Mit kleinen Beträgen kann dort unheimlich viel erreicht werden. Zum Beispiel konnten wir einer plötzlich verwitweten Mutter die Miete für ihre kleine Hütte durch einen Spendenaufruf finanzieren — nicht einmal 200 Euro braucht es, um die Miete für zwei Jahre zu sichern,“ erzählt Madeleine. Schicksale wie dieses gibt es in Tansania, einem der bevölkerungsreichsten und zugleich ärmsten Länder der Welt, viel zu viele.

Foto: Dominik Münstermann

Zur Versorgungsknappheit gesellen sich auch alle Naturgewalten. In nur 50 Tagen Afrika wird Madeleine Zeugin der Kraft aller vier Elemente: Eines Tages erschüttert ein Brand das Dorf. Das Feuer wird händisch gelöscht, dabei erleidet ein Kollege leichte Brandverletzungen. An einem anderen Tag wird das Dorf durch den andauernden Regen überschwemmt — die Häuser stehen unter Wasser. Auch die Elemente Luft und Erde machen sich mit kleinen Tornados und tagelanger Trockenheit bemerkbar.

„Ich habe hier Respekt vor der Natur gewonnen. Genauso habe ich unsere europäischen Gegebenheiten wieder zu schätzen gelernt.“ Dies wird Madeleine an einem Tag in Momella besonders bewusst: „Wir wurden von unserem Arzt eingeladen, eine Geburt in der Krankenstation mitzuverfolgen. Während der Geburt fiel dreimal der Strom aus. Wir haben dem Arzt dann mit unseren Handys geleuchtet, bis das kleine Mädchen auf der Welt war.“ Madeleine ist in diesem und vielen weiteren Augenblicken in Tansania dankbar: „Das Leben kann so reich sein, auch wenn es einem an vielen Dingen fehlt. Hier lernt man das bloße Leben zu schätzen.“

aus der Wald4tlerin Ausgabe Sommer 2017