Akzeptanz und Wertschätzung

„Hätte mich vor 25 Jahren ein Erwachsener auf der Straße oder im Park angesprochen und mir einen Apfel angeboten, hätte ich mich vermutlich sehr gewundert. Mittlerweile wissen die Jugendlichen hier in Krems aber Bescheid.“

Denn mit Essen aufeinander zuzugehen, ist heute in der Jugendarbeit ein besonders wichtiges Angebot – zum einen sind die Jugendlichen oft hungrig, weil das Taschengeld kaum für Lebensmittel ausgegeben wird, zum anderen hilft es, eine Verbindung aufzubauen, erzählt uns Manuela Leoni. Äpfel und Müsliriegel gehören daher zur Standardausrüstung ihres Teams, den Sozialarbeitern und Sozialpädagogen des Vereins „Impulse Krems“.

Vor gut 20 Jahren spielte das Essen in der Jugendarbeit noch keine so große Rolle, erinnert sich Manuela Leoni zurück. Mit dem Jahreswechsel feiert die Jugendarbeit Krems ihr zwanzigjähriges Bestehen, und genauso lange ist auch die ausgebildete Sozialarbeiterin und heutige Geschäftsführerin Manuela Leoni für den Verein tätig. Noch heute erinnert sie sich gut an die Anfangszeiten und ihre damaligen Ziele: „Wenn man jung und dynamisch frisch nach der Ausbildung startet, denkt man, man kann die Welt verändern. Es war schon eine besondere Herausforderung, denn damals war die Jugendarbeit noch nicht institutionalisiert und auch noch nicht in den Köpfen der Menschen. Heute ist das zum Glück ganz anders. Wir dürfen heute viele Lorbeeren ernten, für die wir die Saat schon lange vorher gesät haben.“

Pulverturm & Co.

Die Geschichte der Kremser Jugendarbeit beginnt mit dem Jugendzentrum Pulverturm, das jungen Menschen zwischen 12 und 21 Jahren auch heute noch ein Freizeitangebot in einem geschützten Rahmen bietet. Neben gemeinsamen Freizeit-Aktionen und Projekten steht das Team auch für beratende Gespräche zur Verfügung.

Der Pulverturm ist aber längst nicht mehr das einzige Vorzeigeprojekt – mittlerweile umfasst das Spektrum des Vereins zehn unterschiedliche Einrichtungen und Projekte zur Verbesserung der Lebenswelt von Jugendlichen.

„Die jungen Menschen sind sehr beziehungsbedürftig, heute sicher mehr als früher. Viele sehnen sich nach Gesprächen, Anhalten und Beziehungen“, erzählt Manuela Leoni. Es scheint eine Herausforderung der heutigen Zeit zu sein, Kindern und Jugendlichen anonyme Plätze bieten zu können, an denen sie Wertschätzung, Anerkennung und Aufmerksamkeit erfahren, nicht aber mit Vorurteilen konfrontiert werden. „Früher gab es den Begriff des Schlüsselkindes – ein Kind, das einen eigenen Schlüssel besitzt, nach der Schule nach Hause kommt und dort alleine ist, bis die berufstätigen Elternteile nachkommen. Diesen speziellen Begriff brauchen wir heute nicht mehr, denn so gut wie alle Kinder sind Schlüsselkinder. Es geht auch kaum mehr anders.“

Wohlstandsverarmung

Damit einher geht laut Manuela Leoni mit der Wohlstandsverarmung eine weitere große Herausforderung in der Jugendarbeit. „Wir haben viele Kinder und Jugendliche bei uns, die aus namhaften Familien kommen, mit Eltern, die tolle Berufe ausüben. Für die jungen Menschen bleibt da leider oft nur wenig Zeit.“ Der Verein Impulse Krems bietet mit seinen unterschiedlichen Einrichtungen Rahmen und Raum für Jugendliche, die auf der Suche nach Austausch und Aufmerksamkeit sind und diese oft in den eigenen vier Wänden zu wenig finden.

Girls only

Dabei benötigen gerade Mädchen einen geschützten Rahmen, denn sie nehmen nur selten öffentliche Plätze für sich ein. Dieses Bedürfnis wird vom Verein Impulse Krems mit dem Club „Girls only“ erfüllt. In den Räumlichkeiten der Jugendberatung JUB finden jeden Mittwochnachmittag Freizeitaktivitäten für Mädchen und junge Frauen im Alter von 12 bis 23 Jahren statt. Hier wird gemeinsam getanzt, Musik gehört, gekocht und geplaudert. Zugleich wird viel Wert auf die Gestaltungsfreiräume der Mädchen gelegt, gleichzeitig aber auch versucht, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen, um bei Bedarf beratend und unterstützend zur Seite zu stehen. Drei Viertel der teilnehmenden Mädchen sind unter 16 Jahre alt.

Mobile Jugendarbeit

Wie auch „Girls only“ entstand die mobile Jugendarbeit „See you“ bedarfsorientiert. Dabei geht das Team aus vier Sozialarbeitern und Sozialpädagogen an öffentlichen Plätzen wie dem Schwarzer Park, dem Stadtpark oder dem Bahnhof direkt auf die Jugendlichen zu, statt in den Einrichtungen auf sie zu warten.

Die Basis für die mobile Jugendarbeit bildet ein kontinuierliches Freizeit- und Beziehungsangebot, das zum Ziel hat, tragfähige Beziehungen zu den Jugendlichen aufzubauen, um den jungen Menschen eine Unterstützung und Begleitung im Alltag zu bieten. „Das Wichtigste, zugleich aber auch Schwierigste dabei ist Akzeptanz. Ein Beispiel: Im Stadtpark schmeißt eine Gruppe Jugendlicher eine Parkbank ins Wasser. Die mobile Jugendarbeit sieht das, macht aber nichts dagegen, greift also nicht ordnungshütend ein. Wir urteilen nicht. Wir nehmen das Verhalten der Jugendlichen an, was nicht heißt, dass wir es gutheißen, sondern dass wir gemeinsam daran arbeiten und den jungen Menschen mit seiner gesamten Lebenswelt annehmen. Würden wir das nicht tun, hätten wir keinen Zugang zu ihm. Wir wollen aber vor allem an jene Jugendlichen herankommen, die Auffälligkeiten zeigen. Mit ihnen wollen wir arbeiten. Darum ist Akzeptanz so wichtig in unserem Beruf.“

Wertvolle Unterstützung

Und das Herankommen und Unterstützen der Jugendlichen gelingt dem Team des Vereins Impulse Krems gut: Pro Jahr hat die mobile Jugendarbeit „See you“ rund 5.000 Kontakte mit Jugendlichen, in jedem Stadtteil gibt es etwa 120 Jugendliche, zu denen regelmäßig intensiver Kontakt gepflegt wird. Das Jugendzentrum Pulverturm verzeichnet jährlich rund 4.000 Kontakte und der Club „Girls Only“ zählt jährlich etwa 400 Mädchen. Darüber hinaus bietet der Verein noch die Jugendberatung JUB, eine Jugendintensivbetreuung, die Ferienspiele Krems und das Jugendmagazin Helmut an.

Gemeinsam stark

Möglich ist dieses breite Angebot nur durch das große Team rund um Manuela Leoni: 18 Mitarbeiterinnen und rund 80 ehrenamtliche Helfer sind täglich im Einsatz. „Es motiviert mich, dass ich ein so buntes Team habe. Dadurch ist eine Vielfalt an Ressourcen und Zugängen möglich – das macht mich schon stolz.“ Ebenso wichtig, betont die Geschäftsführerin, ist aber auch das breite Netz an Förderern und Unterstützern, wie der Stadt Krems, dem Land Niederösterreich sowie den zahlreichen Unternehmen, die sich finanziell oder mit Sachleistungen einbringen.

Gemeinsam wird es möglich, Jugendliche auf ihrem Weg gut zu begleiten und so gibt es nach 20 Jahren viele Erfolgsgeschichten, auf die zurückgeblickt werden kann: „Ich erinnere mich an Jugendliche, die ihren Weg in der Jugendstrafanstalt begonnen haben und heute erfolgreiche Unternehmer sind. Oder an jene mit Fluchthintergrund, die sich nach und nach öffneten, ihre Geschichte mit uns aufarbeiten konnten und heute ein gutes Leben ohne Furcht führen können.“

Aus der Wald4tlerin Ausgabe: 04/17