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zu Gast bei Familie Kuefstein auf Schloss Greillenstein

Schon bei der Schloss-Zufahrt wird man von einem besonderen Gefühl erfüllt. Ohne auch nur die Geschichte dieses Ortes zu kennen, fühlt man sich zurückversetzt in eine frühere Zeit. Zahlreiche Gedanken zu möglichen
Geschichten kreisen einem im Kopf umher. Und lernt man erst einmal die Schlossherren kennen, macht das nur noch neugieriger auf die Erzählungen aus den vergangenen Jahrhunderten und das Leben auf
Schloss Greillenstein.

Bereits seit 1534 befindet sich Schloss Greillenstein im Besitz der Familie Kuefstein. Andreas Kuefstein und seine Vorfahren bewohnen das Schloss damit bald fünfhundert Jahre. Die Grundsteine dafür wurden aber bereits viele Jahre zuvor gelegt: Denn wo heute das prachtvolle Schloss zu finden ist, stand im Mittelalter eine kleine Wehrburg. „Sehr viel weiß man darüber nicht. Aus ersten urkundlichen Erwähnungen ist nur bekannt, dass die Burg im Besitz der Grellen war, was wohl auch den Namen erklären dürfte“, erzählt Schlossherrin Lisa, die seit der Heirat mit Andreas vor gut dreißig Jahren in Greillenstein lebt.

Im 16. Jahrhundert wurde die kleine Burg von Hans-Georg III., Freiherr von Kuefstein und damaligem Landeshauptmann, abgerissen. An dessen Stelle rückte das prächtige Renaissanceschloss, das in seinen Ausmaßen bis heute unverändert erhalten werden konnte. Im 18. Jahrhundert wurden das Schloss um große Gärten und barocke Zubauten erweitert – Zeugen dafür sind prächtige Balustraden, Drachen- und Zwergenskulpturen.

Diente das Schloss vor vielen hundert Jahren insbesondere der Repräsentation und als Sitz einer großen Grundherrschaft, so wird es heute als Museum, Event- und Hochzeitslocation sowie als Feriensitz genutzt. Vor allem aber ist Schloss Greillenstein das Zuhause der neunköpfigen Familie Kuefstein: Lisa und Andreas Kuefstein mit deren Kindern Isabell, Carolin, Eleonor, Amelie und Karl sowie zwei kleinen Enkelkindern.

Freilich lebt der Großteil der Kinder schon längst nicht mehr auf Schloss Greillenstein. Übrig geblieben sind nur noch die beiden Jüngsten – die 18-jährige Amelie und ihr 14-jähriger Bruder Karli, die großen Schwestern leben in Wien. Aber zu gewissen Feierlichkeiten findet sich die Großfamilie immer wieder vollständig im märchenhaften Familiensitz ein. „Eines der schönsten Dinge an unserem Leben hier ist der Platz, der uns zur Verfügung steht. Selbst wenn alle Kinder mit deren Kindern und Partnern nach Hause kommen, hat jeder genügend Raum und Rückzugsmöglichkeit“, erzählt Lisa mit einem Lächeln im Gesicht. Es ist auch noch gar nicht lange her, dass Isabell mit ihren beiden Kindern zu Besuch war, Spielsachen sind noch überall im großen Esszimmer zu finden.

Auch wenn einige Räume des Schlosses von Familie Kuefstein privat genutzt werden, liegt der Lebensmittelpunkt doch in einem Nebenhaus – in der alten Gärtnerei. Das große Gebäude war vor hunderten Jahren Gärtnerei, Orangerie und zugleich Wohnung des Gärnters. Gleich dahinter befand sich damals der „Kuchlgarten“, in dem vor langer Zeit Kräuter und Gemüse angebaut wurden. Familie Kuefstein liebt den Charme dieses alten Hauses, der besonders durch die Deckengewölbe und die dicken Mauern unterstrichen wird. Um eine gewisse Wohnqualität zu garantieren, mussten bei der Renovierung und der Einrichtung der alten Gärtnerei zwar Kompromisse eingegangen werden – doch wurde dabei immer darauf geachtet, dass der Charakter des Hauses erhalten blieb. Dies scheint den Kuefsteins auch gelungen zu sein. Denn gerade die charmante Einrichtung verleiht dem Haus eine Gemütlichkeit, die man in einem Renaissancebau wohl kaum erwarten würde. Die Gewölbe, die alten Holz- und Steinböden machen aber deutlich, dass die alte Gärtnerei bereits eine lange Geschichte zu erzählen hat.
Auch wenn das Leben der Kuefsteins auf den ersten Blick märchenhaft wirken mag, so ist die Realität doch eine andere. Die Instandhaltung des 400 Hektar großen Grundstücks (davon rund 340 Hektar Wald) ist die Lebensaufgabe der Familie. „Es ist ein Dauerkampf. Wie wir das genau machen, wissen wir eigentlich selber nicht. Was möglich ist, wird gemacht.“

Zwar haben die Kuefsteins immer wieder Unterstützung bei sich, doch das meiste wird selbst erledigt. Eine große Stütze sind dabei die fünf Kinder. „Oft gibt es bei uns Wochenend-Aktionen. Da wird beispielsweise ein Raum ausgeräumt, alle Möbel werden gewaschen, eingelassen und wieder ordentlich eingeräumt. Auch meine Freunde helfen dabei mit – danach dürfen wir im Schloss feiern“, erzählt Amelie. Doch nicht nur das anschließende Feiern ist ein Ansporn. Bei Aktionen dieser Art wird auch immer die Geschichte des alten Schlosses spürbar. Hin und wieder stoßen die Kuefsteins sogar auf spannende Entdeckungen aus längst vergessenen Zeiten. Amelie erinnert sich noch gut, als ihre großen Schwestern alte Kleider aus dem 19. Jahrhundert gefunden und anprobiert haben. Karli hingegen schwärmt vom geheimnisvollen Schloss-Dachboden und von der Bibliothek, die voll mit alten Schriften ist. Die beiden sind sich einig: „Durch das Leben hier bekommen wir viel mit von der Geschichte“.

Derzeit helfen alle zusammen, um den alten Gerichtssaal zu ordnen. Es handelt sich um den einzigen original erhaltenen Gerichtssaal in ganz Österreich, der darüber hinaus eine große Ansammlung von Gerichtsakten aus den letzten Jahrhunderten bewahrt. „Erstaunlich ist, dass die Urteile in Greillenstein sehr moderat waren. Zum Beispiel wurde Ehebruch zu dieser Zeit eigentlich mit der Todesstraße bestraft, nicht aber in Greillenstein“, erzählt Lisa über die Entdeckungen. Das Schloss mit seinen rund 65 Zimmern ist selbst für sie immer wieder ein Geheimnis.

Die Kuefsteins leben auf Schloss Greillenstein ein durchaus außergewöhnliches Leben. Die Erhaltung des Anwesens ist jedoch eine ständige Herausforderung. Andererseits bringt aber dieses Leben ebensoviel Wunderbares mit sich. Schloss Greillenstein, umspielt von schönster Natur, ist wohl einer der außergewöhnlichsten Lebensräume des Waldviertels. Was die Kuefsteins täglich erleben dürfen, ist spannend und herausfordernd zugleich. Nirgendwo anders möchte die Familie lieber sein.

von Rhea Temper aus der Sommerausgabe 2015

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