Neubeginn mit Nadel & Zwirn

Während allerortens, aber vor allem auch im Waldviertel, ein Handwerk nach dem anderen von der Bildfläche verschwindet, kann man andererseits immer wieder Überraschendes erleben! So wie in Gmünd, wo Regine Fürst vor einiger Zeit eine Schneiderei für Maßhemden und Blusen eröffnete und sich damit einen langgehegten Traum erfüllte.

 

Ursprünglich kommt Regine Fürst ja ohnehin aus dem Waldviertel, doch schon vor dreißig Jahren hat es sie aus beruflichen Gründen nach Wien verschlagen und so hat sie mit ihrer Familie ihre Zelte am Fuße des Bisambergs im Weinviertel aufgeschlagen. Der Nahebezug zur alten Heimat blieb der Familie jedoch immer erhalten und einer ihrer Söhne bestellte seine Maßhemden im Waldviertel nahe der Bandlkramerstadt Groß Siegharts. „Die Hemden waren zwar keine hunderprozentigen Maßhemden, sondern wurden nur in Details wie Ärmellänge oder Kragenweite angepasst, dafür waren sie aber sehr günstig. Ich beobachtete den Betrieb über lange Zeit und dachte oft darüber nach, ob man diese Dienstleistung nicht viel besser vermarkten könnte“, erinnert sich Regine Fürst an die Anfänge ihrer Sympathie zu Maßhemden, die vor drei Jahren zu ihrem eigenen Unternehmen geführt hatte. Denn eines Tages stellte der junge Stammkunde mit Schrecken fest, dass seine Bestellung nicht mehr angenommen werden konnte, weil der Betrieb stillgelegt wurde. „Gerade in einer Zeit, wo es doch viele Männer gibt, denen Hemden von der Stange nicht passen, wollte mir gar nicht einleuchten, dass so eine Maßschneiderei nicht gut funktionieren können sollte und ich bedauerte sehr, dass das Waldviertel nun wieder um einen Gewerbebetrieb ärmer geworden war“, erinnert sich die Waldviertlerin an die Inspirationen zu ihrer Geschäftsidee.

Obwohl die Quereinsteigerin in ihrem kaufmännischen Beruf über viele Jahre erfolgreich Karriere gemacht hatte, womit sie auch durchaus sehr zufrieden war, schwirrten die Maßhemden immer wieder in ihrem Hinterkopf herum und wollten ihr nicht mehr aus dem Sinn gehen. Nächtelange Diskussionen und Überlegungen mit der Familie, Kalkulationen und viele Berechnungen führten Regine Fürst letztlich Anfang 2012 zu der Überzeugung, dass sie der Idee einer eigenen Maßschneiderei einfach Raum geben musste, um nicht später einmal zu bedauern, sich nicht getraut zu haben, diesen Traum zu realisieren.

Die Suche nach einer guten Schneidermeisterin führte Regine Fürst damals zurück ins Waldviertel, wo sie rasch fündig wurde. Die nötigen Maschinen, Stoffe und Accessoires wurden bestellt und ruck-zuck war ›Fürst – Hemd & Bluse mit Maß & Stil‹ in Gmünd im Mai 2012 eröffnet.

Während Schneidermeisterin Gerlinde Rumpold in der Waldviertler Maßwerstätte die Hemden und Blusen fertigt, hat Regine Fürst das Schnittzeichnen erlernt und pendelt nun zwischen Bisamberg und Gmünd, um sich um Einkauf, Marketing, Verkauf und die Administration im Unternehmen zu kümmern. „Das erwies sich mit zunehmendem Bekanntheitsgrad als sehr praktisch, denn unsere Wiener und Weinviertler Kunden müssen zum Maßnehmen nicht unbedingt ins Waldviertel fahren, sondern machen sich dann oft lieber bei mir in Bisamberg einen Termin dafür aus“, freut sich die Neo-Unternehmerin über dieses Service, mit dem der Aktionsradius der Maßschneiderei deutlich erweitert werden konnte.

Die ersten drei Jahre hat der junge Gewerbebetrieb nun schon gut überstanden, „wenngleich der vergangene Sommer mit seiner brütenden Hitze eine schwere Zeit für uns war! Wer hat denn da schon Lust, sich für Maßhemden zu interessieren“, atmet Regine Fürst auf, die letzten Monate hinter sich lassen zu können. Denn umso belebter war das Geschäft mit den perfekt angepassten Hemden und Blusen dann im Herbst. „Jetzt habe ich ein wirklich gutes Gefühl, denn nun merken wir, dass Mundpropaganda zunehmend wirksam wird“, freut sie sich über das wachsende Interesse an ihrem Service.

Kein Wunder, Stammkunden kommen einmal zum Maß nehmen, dann werden ihre Schnitte archiviert und die nächste Bestellung kann theoretisch schon telefonisch erfolgen. Theoretisch, … denn dann bleibt ja noch die Auswahl aus der unglaublichen Vielzahl an Stoffen und Details wie Kragen, Manschetten, Ärmel, Knopfleiste, Taillierung, Brusttasche, Monogramm oder Knöpfe, die besprochen werden müssen. Denn schließlich bedeutet Maßhemd nicht nur, dass es perfekt sitzt, sondern auch, dass es bis ins Detail nach Kundenwunsch angefertigt wird.

Selbstredend, dass hier bei Stoffen und Accessoires Wert auf beste Qualität und — wie bei den Perlmuttknöpfen — auf regionale Partner gelegt wird. Schließlich muss man für ein Maßhemd schon mit einem Preis von knapp 140 Euro aufwärts rechnen, wer einen Stoff aus der Mailänder Kollektion wählt, muss ein bisserl tiefer in die Tasche greifen, bekommt dafür aber ein Einzelstück aus den trendigsten Stoffen, denen man schon anfühlt, dass sie etwas ganz Besonderes sind. Hundertprozentige Passform natürlich, das versteht sich von selbst. Und ein Unikat, dem man nicht an jeder Straßenecke wiederbegegnet!

erzählt von Lilly Dippold aus der Frühlingsausgabe 2016

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