Wollschmiedin Barbara Schmidt

Auf dem Weg zwischen Horn und Gars, im idyllischen Nonndorf, hat Barbara Schmidt in einem alten Bauernhof nicht nur ihr neues Zuhause gefunden, sondern auch den perfekten Platz für Wolltattoo & Rosenbein.

Eigentlich war Barbara Schmidt mit ihrem Job in der Österreichischen Nationalbank ganz zufrieden. Mit netten Kollegen, einem interessanten Aufgabengebiet und Freude am Austüfteln von cleveren Verträgen war das Leben in Wien so lange wunderbar, bis sich Söhnchen Leon ankündigte. Für ihn wünschte sich die junge Mutter aber mehr Spiel-Raum und eine Bewegungsfreiheit, die die Großstadt einem kleinen Kind einfach nicht bieten kann. Die junge Familie machte sich auf die Suche nach einem neuen Zuhause im Grünen und fand in Nonndorf, einem lauschigen Dörfchen in der Gemeinde Gars am Kamp, ein kleines Paradies. „Der 300 Jahre alte Bauernhof war gleich unser ›Herz-Haus‹ und wir haben uns sehr gefreut, als wir ihn dann tatsächlich kaufen konnten“, strahlt Barbara Schmidt noch heute über dieses Glück, das sie damals ins Waldviertel verschlug.

Das Kleinod mit dem wunderschönen Innenhof gibt nicht nur den beiden Kindern der Familie den ersehnten Freiraum inmitten unberührter Natur – auch Barbara und Thomas Schmidt fanden hier einen perfekten Ort für ihre künstlerischen und handwerklichen Ambitionen. Während Thomas, gelernter Kupferstecher, täglich mit der Bahn nach Wien zur Arbeit pendelt und seinem Handwerk und der Malerei in seiner Freizeit fröhnt, hat Barbara der Juristerei 2010 nach der Geburt ihrer Tochter den Rücken zugekehrt und ganz Neues für sich entdeckt.

Hineingerutscht

Damals noch völlig absichtslos fasziniert vom Bild eines alten Mannes an einem Webstuhl, machte sich die Neo-Waldviertlerin auf die Suche nach einer alten Webmaschine und wurde tatsächlich bald im Internet fündig. Eine zuvorkommende Oberösterreicherin verkaufte nicht nur ihren dreißig Jahre alten Webstuhl, sondern lieferte ihn auch persönlich nach Nonndorf, half dort mit, ihn wieder aufzubauen und führte die neue Besitzerin auch gleich in das Handwerk ein. „Sie gab mir viele hilfreiche Tipps, wo ich am besten Material einkaufen konnte und lehrte mich, den Webstuhl richtig zu bedienen“, erzählt Barbara Schmidt von diesem Glücksgriff. „Auf dem Gerät wurden zuvor Teppiche gewebt und es waren auch noch 80 Meter Kette, also die Wollfäden mit denen man webt, darauf. So blieb mir erst einmal gar nichts anderes übrig, als auch Teppiche zu weben, denn die dicken Schafwollfäden sind anders kaum verwertbar“, erinnert sich die sympathische Teppichkünstlerin an die Anfänge, durch die sie in ihre heutige Leidenschaft ›einfach hineingerutscht‹ ist.

Die ersten Teppiche entstanden, anfangs noch mit welligen, unregelmäßigen Rändern, doch mit jedem Stück wuchsen Erfahrungsschatz und Routine. „Da musste ich natürlich erst einmal ein Gefühl dafür entwickeln, wie richtig gewebt wird, damit der Teppich eine regelmäßige Form bekommt. Mein erstes Exemplar wurde zur Spieldecke für die Kinder.“ Teppiche bis zu einer Breite von zwei Metern und quasi unendlicher Länge lassen sich auf dem Flachwebstuhl weben.

Nicht nur Not macht erfinderisch

Etwa zur gleichen Zeit entdeckte Barbara Schmidt ihr Faible fürs Filzen. „Mit zwei kleinen Kindern braucht man ja ein Hobby, das man jederzeit aus der Hand legen kann. Ich habe gemalt und gestrickt und dann meine Liebe zum Nadelfilzen entdeckt. Und langsam formte sich die Idee, das Filzen mit den Teppichen zu verbinden. „Erst wollte ich kleine, gefilzte, dreidimensionale Schäfchen auf die Kinderteppiche nähen, aber irgendwie war das auch nicht das Richtige für mich.“ Auf dieser Suche nach mehr Teppich-Pep wurden die Wolltattoos geboren! „Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob ich das wirklich erfunden habe, aber bislang konnte ich noch keine Informationen darüber finden, dass es solche Filz-Tätowierungen schon gegeben hat“, erzählt die Künstlerin, die schon immer eine Leidenschaft fürs Zeichnen hatte, und sich damit leicht tut, ihre Entwürfe vom Papier auf den Teppich umzusetzen. „Zurzeit arbeite ich gerade an einer Teppichbestellung mit einem Gingkobaum als Wolltattoo. Wenngleich die Schafwollteppiche in ihrer natürlichen Farbe sehr anpassungsfähig an alle Wohnräume sind, gibt es auch gefärbte Wollfäden ›mit Seele‹, wie man die Hanfschnur in ihrem Inneren nennt, die für die nötige Stabiliät sorgt. So lassen sich auch ganz besonders exklusive, färbige Stücke kreieren.

Auf Glückskurs

Weil sich im Leben der sympathischen zweifachen Mutter so vieles glücklich fügt, ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich ganz in der Nähe, in Langenlois, eine großartige Quelle für hochwertige Wollvliese aufgetan hat. Hier in der ›Spindel‹ findet Barbara Schmidt nicht nur einheimische Wolle, sondern auch noch in vielen Farben – die meisten davon sogar mit Pflanzenfarbe gefärbt.

Gefilzt wird übrigens – in mehreren Schichten – mit ›spitzer Nadel‹, was auch einen weiteren Zusammenhang zum Körpertattoo schafft. In vielen Stunden handwerklicher Kleinarbeit entsteht so das gewünschte Bild auf dem Wollteppich mit dem gewissen Etwas.

Die befruchtende Partnerschaft mit einem Künstler, der selbst sehr beeindruckende Bilder malt, und die schöne Umgebung ringsum sorgen wohl für kreativen Nachschub. So dauerte es auch nicht lange, bis aus den dreidimensionalen Filzversuchen mit Schäfchen und Kätzchen eine völlig neue Idee entstand.

Rosenbein

Die Inspiration kam mit einer italienischen Enzyklopädie, in der Wachsmodelle von den unterschiedlichsten Körperteilen, unter anderem auch dem Schädelknochen, abgebildet waren. Was für viele Menschen als Totenkopf ziemlich negativ besetzt ist, möchte Barbara Schmidt mit ihrer Arbeit in einem positiven Licht betrachtet sehen. „Die meisten Menschen denken beim Anblick des Schädelknochen an den Tod, doch in Wahrheit ist er es doch, der uns leben lässt. Das Kranium schützt unser Gehirn und die Augen, befestigt unsere Wirbelsäule und hat doch eigentlich eine wunderschöne Form. Deshalb nenne ich es auch Rosenbein“, entflammt die Künstlerin in ihrer Leidenschaft für die Kreationen, die allesamt Frauennamen erhalten. Und natürlich ein passendes Tattoo – so wie ›Julia‹ im Bild oben rechts mit einer entsprechenden Bordüre verziert ist.

Gut hundert Arbeitsstunden lang wird hier unermüdlich mit der spitzen Nadel Schichte für Schichte – ganz ohne formende Hilfsmittel – so lange gefilzt, bis die perfekte Form und Stabilität erreicht und das dazupassende Tattoo platziert ist. „Für eine Kundin habe ich eine ›Hannah‹, nach Hannah Arendt, der jüdisch deutsch-amerikanischen Publizistin, angefertigt. Zurzeit arbeite ich gerade an einer ›Hildegard‹ (von Bingen), die wie alle Köpfe mit dazupassenden Symbolen verziert wird“, macht die Filzkünstlerin Lust auf mehr. Und tatsächlich: Je länger ›Julia‹ während unseres Gesprächs vor uns auf dem Tisch liegt, desto mehr offenbart sie auch uns ihre ganz spezielle Schönheit …
Wie alle Künstler macht sich die sympathische Wollschmiedin nun auf die Suche nach passenden Gelegenheiten, ihre außergewöhnlichen Rosenbeine, die um 250 Euro zu haben sind, zu präsentieren. Auf dem Grafenegger Adventmarkt hat die Künstlerin nämlich nicht so recht die passende Zielgruppe gefunden. „Die Teppiche sind einfach zu groß und zu schwer, um sie von einem Adventmarktausflug nach Hause zu schleppen. Und die Rosenbeine haben dort natürlich stark polarisiert“, erinnert sie sich lachend an diese Erfahrung, die aber auch zeigte, dass es durchaus viele Menschen gibt, die an Julia, Hannah, Hildegard & Co mehr Gefallen als Schrecken finden und die liebevoll-feinen Gedanken hinter diesen Kunstwerken erspüren können.

Bei den ›Tagen des Offenen Ateliers‹ finden deshalb immer mehr Interessierte den Weg in den außergewöhnlichen Wolltattoosalon im gemütlichen Bauernhaus in Nonndorf. Sie sind neugierig auf den Webstuhl und die Arbeiten der Künstlerin, die mit ihrer textilen Kreativwerkstätte im Waldviertel einen traditionell fruchtbaren Boden fand und nun mit ihrer Woll-Werkstatt dafür sorgt, dass in der Region altes Handwerk nicht verloren geht und weiter erlebt werden kann. Der Nachwuchs im Hause Schmidt schwingt jedenfalls schon jetzt begeistert die Filznadel. „Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich hier im Waldviertel so ein schönes Zuhause gefunden habe und damit auch die Möglichkeit, meinen Kindern Schafwolle, Webstuhl und Teppichweben so hautnah zu vermitteln.“

Über Besuche in ihrem Wolltattoosalon freut sich Barbara Schmidt nicht nur während der Offenen Tage. Am besten vorher anrufen, denn das junge Atelier richtet sich erst auf die Nachfrage ein.

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