Gerda Kohlmayr: Schräger Vogel

Textilkünstlerin, Malerin, Kunsttherapeutin, Organisatorin, Lehrerin und Netzwerkerin

Nein, nein, die Textilkünstlerin Gerda Kohlmayr würden wir nicht als »schrägen Vogel« bezeichnen, wenngleich ihr Leben, ihr Schaffen und ihre lange Biografie doch  kunterbunt sind. Eines ihrer vielen Projekte aber ist die Werkstatt „Schräger Vogel“ in Waidhofen an  der Thaya.

ERZÄHLT VON LILLY DIPPOLD

 

Ihr Lebenslauf, der sich geografisch vom südlichen Niederösterreich über Paris und Wien bis ins nördliche Waldviertel nach Kautzen spannt, ist von beeindruckender Länge und viele würden für so viele Stationen wohl mehr als nur ein Leben brauchen. Gerda Kohlmayr aber nimmt eben gerne Gelegenheiten wahr und geht ihren Weg dem Herzen nach — jedenfalls seit ihre Kinder selbständig sind.

Seit 1986 ist Gerda Kohlmayr als Freischaffende vorwiegend im Bereich der Textilkunst und mit Mode- und Kostümdesign aktiv, ihr künstlerischer Weg begann mit dem Studium an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien mit dem Schwerpunkt Textiles Gestalten, Werkerziehung und Grafik. 1985 reiste sie mit einem Auslandsstipendium nach Paris, zwei Jahre später erhielt sie ihr Diplom in der Meisterklasse für Grafik in Wien.

In den folgenden Jahren war Gerda Kohlmayr sehr aktiv, präsentierte ihre Werke in zahlreichen Ausstellungen und bei Modeschauen, und gestaltete Kostüme für Film und Theater. So entwarf sie etwa mit Textilobjekten die Auslagen des renommierten Wiener Innenstadtjuweliers Schullin, war bei einer Kleidobjektschau im Wiener Metropol zu bestaunen, zeigte bei Henn in der Wiener Naglergasse „Sesselkleidobjekte“ und Kleidobjekte sowie textilgestaltete Sitzmöbel bei Wittmann.

Die Geburt ihrer Tochter Lena 1988 läutete ein gutes Jahr ein, in dem sie den ersten Preis für ihren Entwurf zur textilen Raumgestaltung einer Filiale der damaligen Bank Austria erhielt. Ein weiteres großes Highlight in ihrem Lebenslauf ist wohl die Kostümgestaltung der ORF-Produktion „Barca di Venetia per Padua“.

1991 kam Sohn Emil zur Welt, im selben Jahr eröffnete die Künstlerin zusammen mit Veronika Kyral in der Wiener Lindengasse eine Galerie für Grafik und Papier. „Wir haben unterschiedliche Themenausstellungen organisiert, aber es ist nicht leicht in Wien mit einer kleinen Galerie zu bestehen“, erinnert sich Gerda Kohlmayr an eine schöne, aber auch schwierige Zeit zurück.

Filzschmuck mit Fundstücken aus der Natur ist eine der künstlerischen Domänen von Gerda Kohlmayr

Schon lange hegte sie eine besondere Zuneigung zum Waldviertel und seinem stimmungsvollen Ambiente, das ja viele Künstlerseelen anzieht. So auch Gerda Kohlmayr, die 1993 letztlich auch ihren Umzug in die Werkstätten der Obermühle nach Kautzen wagt. Nähe und Austausch mit den Handwerkern und Künstlern hier sind Balsam für ihre Seele und der Teil, den sie bewohnt geradezu ideal für ein Atelier und die künstlerische Arbeit.

Auch Künstlerinnen, vor allem wenn sie zwei Kinder zu versorgen haben, genießen einen Brotberuf. So unterrichtete Gerda Kohlmayr fünf Jahre lang an Gymnasien, wie in Perchtoldsdorf und in Waidhofen an der Thaya, Textiles Gestalten und Bildnerische Erziehung, doch für ein Künstlerherz ist es nicht gar so einfach, sich mit dem (Schul)System zu arrangieren.

Viel Freude macht der Künstlerin ihre kunsttherapeutische Arbeit, die sie im Waldviertler Zentrum für seelische Gesundheit in Waidhofen, am LK Allentsteig in der neurologischen Rehabilitation, im Jugendheim Allentsteig, im Caritas Wohnheim in Zwettl sowie in ihrer eigenen Praxis bietet.

Vor vier Jahren hat die Neo-Waldviertlerin in Waidhofen ihre „Galerie zum Schrägen Vogel“ eröffnet, in der sie nicht nur ihre eigenen Werke zeigt (und verkauft), sondern auch Themenausstellungen durchführt. Doch auch in der Waldviertler Bezirkshauptstadt erwies es sich nicht als rentabel, die Galerie laufend zu betreiben. So ist sie mittlerweile nur bei Ausstellungen, Veranstaltungen und Workshops geöffnet, wie beispielsweise der Malakademie Kids, die Gerda Kohlmayr im Rahmen der Niederösterreichischen KreativAkademie leitet.

Dass Gerda Kohlmayr nicht nur eine begnadete Künstlerin ist, sondern auch über reichlich Organisationstalent verfügt, beweist sie mit zahlreichen Projekten wie Themenausstellungen im „Burgraum“ in Wien, der jährlichen Ausstellung „Kunst – Design – Handwerk“ auf Burg Wildegg. Zu einem besonderen Highlight – weit über die Grenzen des Waldviertels hinaus – hat sich der Textil-Kunst-Markt in Horn entwickelt, den Gerda Kohlmayr 2015 ins Leben gerufen und organisiert hat. „Ich kenne natürlich aufgrund meiner jahrelangen Erfahrung sehr viele großartige Kunstschaffende, die ich in Horn versammeln darf. Von Textilkunst und -design über textiles Handwerk bis zu Papierdesign und Buchkunst wird es auch heuer wieder ein besonders ansprechendes Programm geben“, freut sie sich auf die nun schon dritte Auflage dieser besonderen Veranstaltung am 24. und 25. Juni 2017 im Kunsthaus Horn.

Auch Gerda Kohlmayr selbst wird ihre Arbeiten hier ausstellen und zum Kauf anbieten. Neben den exklusiven Filzschmuckstücken wird es auch Filztaschen und ihre Bekleidungsstücke aus heimischen Leinenstoffen zu sehen geben. Besonderen Wert legt die Künstlerin dabei auf Rohstoffe höchster Qualität. Zum größten Teil verarbeitet sie Leinen der Mühlviertler Weberrei Viehböck, „denn hier werden die wertvollen Stoffe ohne chemischer Ausrüstung hergestellt und schonend gefärbt.“ Auch die Wollwalkstoffe aus reiner Wolle, die sie vor allem für Jacken, Gilets und Kappen verwendet, stammen weitgehend aus Kirchschlag, die Filzstoffe für ihre Taschen entstammen dem Wollwerk Obermühle

„Die Gestaltung von Kleidung ist für mich eine Möglichkeit,
die eigene Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen.“

Wer jetzt neugierig auf diese besondere Frau geworden ist, macht sich am besten im Juni auf den Weg ins Kunsthaus Horn, denn dort sind nicht nur ihre Werke zu betrachten, sondern auch eine persönliche Begegnung mit der Waldviertler Künstlerin möglich!

Reportage aus der Wald4tlerin Sommer 2017
Das könnte dir auch gefallen

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.